- Text von Gudrun Weinzierl
Gesichtet werden
Johann Schwarz hat sich in seiner Kunst auf ausschließlich einen Bildträger reduziert: Pflanzlich gegerbtes Schweinsleder. Die Galerie Eboran zeigt seine Porträts auf Tierhaut, Gesichter mit Geschichte, Bildnisse lebender und verstorbener Personen. Models, Entertainer, Wissenschaftler, Sportler, auch ein Papst und die sagenhafte Gestalt des russischen Predigers Rasputin gehören dieser langsam anwachsenden Werkgruppe von Porträts an.
Monumental vergrößert blicken Berühmte, aber auch heute bereits Unbekannte schweigend und unbeteiligt dem Betrachter entgegen. Diese Bilder scheinen das Vergessen zu thematisieren, Identitäten sind an den Faktor Zeit gebunden. Nicht die repräsentative Aufgabe des Porträts, sondern eine memoriale Bedeutung liegt auf ihnen: Blass treten die Antlitze auf der Lederoberfläche in Erscheinung, als tauchten sie aus der Ferne auf um sich in Erinnerung zu rufen.
Schwarz hat eine subtile Form der Entstehung und des Sichtbarwerdens seiner Gesichter gefunden. Umgekehrt zum Prozess des Tätowierens, bei dem Haut von außen nach innen durchdrungen wird, leitet Schwarz einen Vorgang ein, der allmähich von innen nach außen, von der Rückseite an die Oberfläche des Leders tritt. Auf den ersten Blick nur eine geometrische Anordnung verschieden großer Punkte, geben sich Antlitze nach und nach dem forschenden Blick des Betrachters zu erkennen. Pars pro toto steht jedes einzelne Gesicht für einen ganz bestimmten Menschen mit seinen Leistungen und Taten.
Schwarz bedient sich des Internets, wählt ihm interessant scheinende Frontalaufnahmen in Schwarz-Weiß, vergrößert diese und reduziert die Merkmale des individuellen Gesichts auf jenes Mindestmaß, das zur Identifizierung nötig ist, aber über die Befindlichkeit der Person, ihre Subjektivität und Emotionalität keinerlei Aufschluss gibt. Die Bildnisse selbst sind stark entindividualisiert und in ihrem Format vereinheitlicht; in ihrer „Entstehung“ gestattet sich Schwarz keine spontane individuelle Geste. Er sammelt Daten, reproduziert und konserviert. Schwarz hat seine eigene Methode die vergrößerten Bildvorlagen auf der Lederoberfläche sichtbar werden zu lassen entwickelt. An der Bildwerdung selbst hat er nur indirekt Anteil, denn das Abbild tritt – gleichsam von selbst - durch einen chemischen Prozess zutage. Auch nach Jahren im Umgang mit seiner Technik spricht Schwarz vom experimentellen Charakter des jeweiligen Entstehens: Das durch den Gerbvorgang einst haltbar gemachte Leder befindet sich in chemischem Gleichgewicht. Durch das Aufbringen von Eisenpulver in Form der Rasterpunkte auf das in Wasser eingeweichte Leder in Verbindung mit Gerbsäure beginnt ein Oxidationsprozess – die dunklen Pigmentpunkte entstehen, die sich im Auge des Betrachters zu den Gesichtern bekannter wie berühmter Namen formieren.
Gudrun Weinzierl
- Text von Ulrike Reinert
Das Thema Haut und Hülle, wie auch das der medialen Bilder, verbindet Johann Schwarz in seinen Portraits auf gegerbten Tierhäuten. Von der Rückseite her diffundiert dabei das als Farbstoff verwendete Eisenpigment an die vordere Hautoberfläche und das Bildnis wird sichtbar, es „erscheint“ gleichermaßen. Nebeneinander stehen hier der Volksmusiker Hansi Hinterseer und jenes Gesicht, welches sich auf dem so genannten „Turiner Grabtuch“ abzeichnet und das, wie man annimmt, Jesus Christus zeigt. Der Medienstar und die religiöse Erlösergestalt werden gegeneinander gesetzt. Doch heute verschwimmen gerade hier die Grenzen, werden die in TV und Medien gehypten Stars und Sternchen oft genug wie Heilsbringer gehandelt.
Die Portraits von Johann Schwarz prägen sich in ihr Trägermaterial ein wie ein Tattoo in die Haut, durch den groben Raster verschwinden die Abgebildeten auf nahe Distanz zum Bild fast bis zur Unkenntlichkeit. Schwarz´s Bilder thematisieren Nähe und Ferne, sie entziehen sich, machen Mühe bei der Betrachtung und erschließen sich nicht einfach so im Vorübergehen. So gesehen arbeitet der Künstler entgegen einer einfachen Konsumierbarkeit und entgegen der visuellen, medialen Flut, die uns täglich per TV und Internet umgibt.
Ulrike Reinert
O.T. 2012 Schweinsleder Eisenpulver 120/90cm |
O.T. 2012 Schweinsleder Eisenpulver 120/90cm |
O.T. 2015 Schweinsleder Eisenpulver 120/100cm |
O.T. 2015 Schweinsleder Eisenpulver 120/100cm |
Galerie Eboran | Fotos: Stefan Zenzmaier |
O.T. 2013 Schweinsleder Eisenpulver 120/100cm |
O.T. 2013 Schweinsleder Eisenpulver 120/100cm |
Kunstraum Pro Arte | Foto: Stefan Zenzmaier
O.T. 2021 Schweinsleder Eisenpulver 90/75cm |
O.T. 2021 Schweinsleder Eisenpulver 90/75cm |
Kunstraum Pro Arte | Foto: Stefan Zenzmaier